Heute stellte Kultur­de­zernentin Dr. Susanne Völker gemeinsam mit Martin Groh (documenta archiv), Dr. Dorothee Gerkens (Museums­landschaft Hessen Kassel/Neue Galerie) sowie Volker Schäfer (Stiftung 7000 Eichen) anlässlich des 100. Geburtstags von Joseph Beuys das Jubilä­ums­programm des BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 vor.

Am 12. Mai 2021 wäre Joseph Beuys hundert Jahre alt geworden. Noch immer gilt er als einer der einfluss­reichsten Künstler der Gegenwart, nicht zuletzt aufgrund seines breit gefassten und trans­dis­zi­plinären Kunst­ver­ständnisses. Insbe­sondere seine ökolo­gischen Visionen, Diskurse über politische Beteiligung und die Relevanz von Kultur für die Gesellschaft und ihre Trans­for­ma­ti­ons­prozesse sind heute unver­mindert aktuell.

Die Stadt Kassel und der Künstler Beuys, der sieben Mal auf der documenta ausstellte, sind bis heute eng miteinander verbunden. Erstmals nahm Joseph Beuys an der documenta 3 im Jahr 1964 teil, bei der Zeichnungen des jungen Künstlers zu sehen waren. Bis zum Ende seines Lebens war Joseph Beuys an jeder weiteren documenta-​Ausstellung beteiligt. Seine Arbeiten waren zudem posthum 1987 (d8) und 1992 (d9) ausgestellt. Die „Free Inter­national University“ (d6) und das Kunstwerk „7000 Eichen – Stadt­ver­waldung statt Stadt­ver­waltung“ (d7) wirken bis heute in der Stadt Kassel nach und leben in zahlreichen Insti­tutionen sowie im Stadtbild weiter.

Das BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 beleuchtet diese besondere Beziehung und die Bedeutung von Beuys für aktuelle künst­lerische und gesell­schaftliche Frage­stellungen mit einer eigens dafür konzi­pierten Reihe von Ausstellungen, Veran­staltungen, Tagungen, Publi­kationen, Performances und Aktionen.

Susanne Völker betonte anlässlich der Präsentation des Programms: „Joseph Beuys hat die inter­na­tionale Kunstwelt ebenso wie die Stadt Kassel unmittelbar und nachhaltig geprägt. Sicht­barster Beleg im Kasseler Stadtbild ist seit 1982 das Kunstwerk ‚7000 Eichen – Stadt­ver­waldung statt Stadt­ver­waltung‘. Sein radikal­de­mo­kra­tischer Kunst­begriff ist bis heute aktuell, sein ökolo­gisches Engagement vielfach fortgesetzt und sein Werk wirft noch immer auch Fragen auf. Das BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 lädt dazu ein, im Rahmen eines stadtweiten Kultur­programms diesen wichtigen deutschen Nachkriegs­künstler und siebenfachen documenta-​Teilnehmer neu zu entdecken. Ein herzlicher Dank gilt den vielen beteiligten Insti­tutionen und Akteurinnen und Akteuren, die auch unter den aktuell erschwerten Rahmen­be­dingungen das gemeinsame und umfangreiche Projekt realisiert haben.“

 

Stadtweite Vernetzung für BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021

Vertre­terinnen und Vertreter zahlreicher Kasseler Insti­tutionen und Beuys-​Akteur*innen haben im gegen­seitigen Austausch ein Jahr lang das Programm des BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 vorbereitet. In diesen gemeinsamen Entste­hungs­prozess waren u.a. die folgenden Projekt­part­nerinnen und Projekt­partner eingebunden: Das documenta archiv, die documenta und Museum Fridericianum gGmbH, die Museums­landschaft Hessen Kassel, das Kultur­dezernat / Kulturamt der Stadt Kassel, die Stiftung 7000 Eichen, die cdw-​Stiftung, das documenta forum Kassel e.V., die galeria kollektiva, KolorCubes e.V., das Staats­theater Kassel, das Studio Lev Kassel e.V., das Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel sowie die Werkstatt Kassel e.V.. Darüber hinaus wurden inter­na­tionale Akteurinnen und Akteure und Insti­tutionen wie das Social Sculpture Lab unter der Leitung der langjährig in Oxford lehrenden Beuys-​Schülerin Shelley Sacks, sowie die Kunst­his­to­rikerin und Archäologin Dr. Rhea Thönges-​Stringaris in die Entwicklung des BEUSY­LA­BOR­KAS­SEL2021 eingebunden.

Martin Groh, documenta archiv, beschrieb die Entwicklung des BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 wie folgt: „Bereits Anfang 2020 verständigten sich die Stadt Kassel und das documenta archiv, die geplanten Aktivitäten für das 100. Geburtsjahr von Joseph Beuys in Kassel zu koordinieren. Seitdem haben unter der Moderation des documenta archivs verschiedenste Kasseler Kultur­ein­richtungen und einzelne Akteure in vielen intensiven, aber stets konstruktiven Treffen ein vielfältiges Programm, das von Ausstellungen, Aktionen, Workshops, Publi­kationen bis zu Fachsymposien reicht, einander vorgestellt und besprochen und das Zusam­menbinden der einzelnen Aktivitäten unter dem gemeinsam erarbeiteten Motto BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 miteinander gestaltet.“

 

Homepage und Erschei­nungsbild

Der Kasseler Grafiker Jonas Buntenbruch gestaltete das Erschei­nungsbild des BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 in enger Anlehnung an typische Gestal­tungs­elemente, die Joseph Beuys verwendete. Sein häufiger Gebrauch von Stempeln war der Ausgangspunkt, um sich über die Symbolik des Hauptstrom-​Stempels einer modernen Inter­pretation der Zeichen anzunähern. Daraus entstand das kreis­förmige Logo des BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021, das in den klassischen Stempel-​Farben Schwarz, Blau und Rot Verwendung findet. Ergänzt wird das Logo jeweils durch weitere assoziative Symbole in Stempel-​Anmutung.

Auf der Homepage www.beuys­la­bor­kas­sel2021.de präsentieren die vier zu Menüpunkten inter­pre­tierten Worte BEUYS, LABOR, KASSEL und 2021 die beteiligten Insti­tutionen, Projekte und Veran­staltungen. Der Kalender informiert über die vielfältigen Aktivitäten und Veran­staltungen, die anlässlich des Beuys-​Jubiläums in Kassel stattfinden. Die Termine werden fortlaufend aktua­lisiert und ergänzt.

Im Folgenden finden Sie eine Auswahl an Programm­punkten des BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021:

 

Projektstart rund um den Geburtstag von Joseph Beuys

Seit dem 10. Mai zeigt die galeria kollektiva im Schil­ler­viertel "Joseph Beuys - eine Bearbeitung" des Berliner Künstlers Rainer Wieczorek. In Anlehnung an Fluxus und Soziale Plastik entsteht eine temporäre prozesshafte Licht-​Rauminstallation. Die 141 Stunden lang dauernde Performance kann Tag und Nacht durch die großen Schau­fenster betrachtet werden.

An der Fassade der Arnold-​Bode-Schule entsteht im Mai ein neues und langfristiges Kunstwerk: In Kooperation mit der Streetart-​Initiative KolorCubes e.V. wird der Künstler Yongtak Choi ein überle­bensgroßes Porträt von Joseph Beuys an der Außenwand realisieren. Schülerinnen und Schüler der Arnold-​Bode-Schule begleiten das Projekt im Rahmen unter­schiedlicher Aktionen wie beispielsweise der Produktion einer Begleit­pu­blikation.

Mehrere Ausstellungen erinnern an den vielseitigen Künstler Joseph Beuys

Die Künstlerin Shelley Sacks, eine Wegbe­gleiterin von Beuys, führt die Idee der Sozialen Plastik in der Gegenwart fort. Für das documenta archiv, die Museums­landschaft Hessen Kassel/Neue Galerie und die Stadt Kassel entwickelte sie das „Kassel-​21 / Social Sculpture Lab“. Es versteht sich als ein globales Labor, das den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit bietet, sich mit Beuys‘ erweitertem Kunst­begriff ausein­an­der­zusetzen und ihn mit neuen, aktuellen Inhalten zu füllen. Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist der „Survival Room“ in der Neuen Galerie. Er ist ein „alche­mis­tischer Arbeitsraum“,der für Fragen, Austausch und Semin­ar­ge­spräche offensteht und die Grundlagen der Beuys’schen Ideen der Sozialen Plastik reflektiert. Im Dialog zu Joseph Beuys‘ Installation „The Pack (das Rudel)“ wirft er grund­legende Fragen zum Thema Überleben auf.

(Survival Room – Kassel-​21 / Social Sculpture Lab, 19.06. – 26.09.2021)

Dr. Dorothee Gerkens, Leiterin der Neuen Galerie, führte aus: „Die Museums­landschaft Hessen Kassel mit ihrem bekannten Beuys-​Raum in der Neuen Galerie ist glücklich, eine inter­dis­zi­plinäre Tagung auszu­richten und den von Shelley Sacks entwi­ckelten ‚Survival Room‘ in der Neuen Galerie als Bestandteil ihres ‚Kassel-​21 / Social Sculpture Lab‘ präsentieren zu können. Zusammen mit inter­na­tionalen Expertinnen und Experten werden wir in der Konferenz ‚Raum und Zeit – Joseph Beuys‘ raumbezogene Arbeiten, ihre Präsentation und Erhaltung‘ das Thema der Alterung der Materialien im Beuys‘schen Werk aufarbeiten – und fragen, was es für den Umgang mit seinen Raumin­stal­lationen heute bedeutet. Außerdem heißen wir – in Kooperation mit dem documenta archiv und der Stadt Kassel – die Künstlerin Shelley Sacks willkommen, die in Workshops und ‚verbindenden Praktiken‘ den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit bietet, sich aktiv mit Beuys‘ erweitertem Kunst­begriff ausein­an­der­zusetzen – und so die Idee der Sozialen Plastik in die Gegenwart holt.“

Im Anschluss an diese Ausstellung ermöglichen das documenta archiv und die Museums­landschaft Hessen Kassel in der Neuen Galerie eine weitere Perspektive auf Joseph Beuys und sein Werk durch einen weiteren Zeitzeugen: Der Kasseler Fotograf Dieter Schwerdtle spezia­lisierte sich darauf, die Kasseler Kunstszene und die documenta sowie ihr Umfeld umfassend zu dokumentieren. Er fotografierte die documenta-​Ausstellungen 5 bis 11 und begegnete auch Joseph Beuys bei seinen Ausstellungen und Aktionen in Kassel mehrfach. Die Neue Galerie zeigt im Rahmen des BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 ausgesuchte Werke aus dem Nachlass Dieter Schwerdtles.

(Imaging Beuys. documenta-​Fotografien von Dieter Schwerdtle, 08.10.2021)

Am Pferdemarkt, wo Beuys 1982 am 16. März nach der Pflanzung des ersten Baums vor dem Museum Fridericianum weitere sieben Bäume der „7000 Eichen – Stadt­ver­waldung statt Stadt­ver­waltung“ pflanzte, zeigt das documenta forum eine Ausstellung mit Fotos, Film- und Ton-​Dokumenten und weiterem Archiv­material von Beuys‘ Teilnahmen an den documenta-​Ausstellungen 3 bis 7. Der Dokumen­tarfilm „SYNERGIEN – Rhea Thönges-​Stringaris und Joseph Beuys in Kassel“ wurde eigens anlässlich des Jubiläums produziert und wird erstmalig in der Ausstellung zu sehen sein. Die in Kassel lebende Kunst­his­to­rikerin und Archäologin Dr. Rhea Thönges-​Stringaris war über viele Jahre Mitstreiterin und Freundin des Künstlers. Im Interview erinnert sich die heute 87-​Jährige an ihre Erlebnisse mit Joseph Beuys.

(BEUYS100, ehem. Bistro Schäfergasse 2, Eingang Pferdemarkt über Terrasse, 25.06. – 31.07.2021)

 

Spaziergänge zu – Beuys‘ Werk

Das Kunstwerk „7000 Eichen – Stadt­ver­waldung statt Stadt­ver­waltung“ greift wie kein anderes Kunstwerk weltweit auf unmit­telbare Weise radikal und nachhaltig in die visuelle, ökologische und soziale Struktur des urbanen Lebensraums ein. Seit 2002 wird das Werk von der Stiftung „7000 Eichen“ begleitet. Bei Spaziergängen im Sommer und Herbst erfahren Inter­essierte mehr über das Kunstwerk und seine künst­le­rischen, sozialen und ökolo­gischen Ideen.

Bereits im vergangenen Jahr erschien der Spazier­gangsführer „Beuys to go“ der cdw-​Stiftung. In sieben Spaziergängen führen Routen durch 15 Kasseler Stadtteile zu den Bäumen des Kunstwerks. Im Jubilä­umsjahr wird es zusätzlich Live-​Spaziergänge geben, in denen Wissenswertes, Fragen und die Geschichten rund um das Werk und zu einzelnen Bäumen an ihren jeweiligen Verortungen in den Stadtteilen und Diskursen vermittelt werden.

Volker Schäfer, Vorsitzender der Stiftung 7000 Eichen sagte zur Bedeutung Beuys‘ für Kassel: „Das BEUYS­LA­BOR­KAS­SEL2021 ist ein gutes Zeichen dafür, wie viele Menschen und Kultur­ein­richtungen in Kassel sich für Joseph Beuys und seine Ideenwelt inter­essieren. Gerade das Raum-​Zeit-Kunstwerk ‚7000 Eichen‘ folgt dem Impuls: ‚Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden. Sonst erhalten wir eine, die wir nicht wollen.‘  Seine künst­le­rischen, sozialen und ökolo­gischen Dimensionen weisen weit über den Tag hinaus und regen zur Veränderung an.“

Für die Pflege des Beuys‐Kunstwerkes „7000 Eichen“ trägt das Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel Sorge. Die regelmäßige Kontrolle der Bäume gehört ebenso dazu wie das Führen und laufende Aktua­lisieren des detail­lierten Baumka­tasters, die jeweiligen Baumpfle­ge­maßnahmen sowie das Erhalten und bei Bedarf Ersetzen von beschädigten Basalt-​Stelen. Insbe­sondere der Klimawandel stellt die Erhaltung des Kunstwerks vor zusätzliche Heraus­for­derungen. In Führungen mit Mitarbeiter*innen des Umwelt- und Gartenamtes stehen die Baumarten und die Pflege und Erhaltung des Kunstwerkes im Mittelpunkt.

Einen Spaziergang der besonderen Art bietet das Staats­theater Kassel mit „Aktion Beuys“. In diesem Parcours wechseln sich szenische und performative Darstellungen mit Audiowalks ab und sorgen so für vielschichtige Begegnungen mit den Werken und Spuren Beuys'. Über verschiedene Stationen von der Karlsaue zum Fridericianum beschäftigen sich die Zuschauerinnen und Zuschauern mit Themen, die für Beuys wesentlich waren – Kunst, Natur, Geld, Politik und Tod.

 

Wissen­schaftliche Betrachtungen

Mit der Erhaltung des Beuys’schen Erbes beschäftigt sich ebenfalls die inter­na­tionale Fachtagung „Raum und Zeit – Joseph Beuys’ raumbezogene Arbeiten, ihre Präsentation und Erhaltung“, die von der Museums­landschaft Hessen Kassel ausge­richtet wird. Im Kontext inter­dis­zi­plinärer Betrachtungen stehen seine raumbe­zogenen Arbeiten im Fokus. Mit Blick auf die häufig besondere Materialität und die damit verbundenen Absichten des Künstlers werden die ethischen, konzep­tionellen und praktischen Fragen der Erhaltung und der originalen oder werkge­rechten Präsentation diskutiert.

 

Hinweis

Durch die andauernden, pande­mie­be­dingten Einschränkungen werden geplante Formate und Termine fortlaufend an diese Situation angepasst. Alle aktuellen Infor­mationen finden sich unter: www.beuys­la­bor­kas­sel2021.de