Im letzten Jahr startete die Spielzeit des Staats­theaters mit einer szenischen Lesung über Künst­lerinnen der ersten documenta im Jahr 1955. Auch die zweite Auflage der "Vorschlagsliste" taucht nun wieder in die Tiefen archi­va­rischer Arbeit ein. Mit theatra­lischen Mitteln wird der Versuch unternommen, die im Archiv greifbare Komplexität künst­le­rischer und kurato­rischer Prozesse zu visua­lisieren.


Im Mai 2022 endete die Aufführung im Schau­spielhaus Foyer mit einer Publi­kums­be­fragung: Welche Künstlerin soll im Mittelpunkt der zweiten Ausgabe stehen?

Die Entscheidung fiel auf die deutsch-​jüdische Künstlerin Charlotte Salomon (1917 Berlin – 1943 Auschwitz), deren drama­tisches Werk "Leben? oder Theater? Ein Singespiel" anhand ausge­wählter Gouachen auf der dOCUMENTA (13) im Fridericianum zu sehen war.  

Ihr 769 Blätter umfassendes Lebenswerk, das sich heute im Histo­rischen Jüdischen Museum Amsterdam befindet, erzählt ihre traumatische Famili­en­ge­schichte vom Ersten Weltkrieg bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs – eine Tragödie zwischen Verfolgung, Angst und Hoffnung, zwischen Einsamkeit und Sehnsucht nach Liebe.

Entstanden in den Jahren 1941 und 1942, reflektieren Salomons Gouachen das Heran­wachsen im familiären Umfeld des Berliner Bürgertums und die aufziehende Bedrohung des Natio­nal­so­zialismus. Sorgfältig ergänzte Salomon ihre szenische Biografie mit Notizen zu begleitenden Musik­ein­spielungen für jedes Blatt. Die charak­te­ristische Gleich­wer­tigkeit von Schrift und Bild nimmt die Ausdruckskraft von Graphic Novels vorweg und zeigt eine besondere Nähe zu Drehbüchern, Storyboards oder Bühnenwerken mit klassischen Regie­an­weisungen.

Mit der Art-​Lecture am 1. Juni kehrt Charlotte Salomon 11 Jahre nach Carolyn Christov Bakargievs dOCUMENTA (13) wieder in die Rotunde des Fride­ri­cianums zurück. Die Schau­spieler:innen ergründen die ästhetische Radikalität und die multi­medialen Facetten ihres Werks im Dialog mit Kerstin Brätschs Installation Mimikry.
 
Idee/Konzept: Katja Prussas (Schau­spiel­dra­maturgin) unter Mitwirkung von Lisa Natalie Arnold, Annett Kruschke, Johann Jürgens, Christina Weiser (Schau­spieler:innen), in Zusam­menarbeit mit dem documenta archiv

1. Juni, 20 - 22 Uhr
Rotunde, Fridericianum

Tickets sind ab jetzt im Vorverkauf erhältlich

 

Seit März 2023 zeigt das Lenbachhaus in München die Ausstellung Charlotte Salomon Leben? Oder Theater? (www.lenbachhaus.de), die wir Ihnen an Herz legen.