Der US-​amerikanische Videokunst-​Pionier Bill Viola ist im Alter von 73 Jahren gestorben. Insgesamt viermal war er bei der documenta in Kassel vertreten: bei der documenta 6 (1977), der documenta 8 (1987), der documenta 9 (1992) sowie zuletzt im Rahmen der documenta 14 (2017), als seine Arbeit „The Raft“ in der Rotunde des Fridericianum zu sehen war.

 

Entstanden als Auftragswerk für die Olympischen Spiele in Athen im Jahr 2004, ist die 10-​minütige Audio-​Video-Installation aus der Sammlung des Athener Nationalmuseums für zeitgenössische Kunst (EMST) exemplarisch für die künstlerische Entwicklung Bill Violas: Während sich seine frühen Video-​Tapes und Installationen medienreflexiv und methodologisch-​experimentell mit der visuellen Wahrnehmung und der Einbeziehung der Betrachter*innen befassen, verlagert sich der inhaltliche Fokus im Œuvre Violas ab den 1980er und 90er Jahren auf universelle Themen der menschlichen Existenzerfahrung: Geburt und Tod, Schlaf und Bewusstlosigkeit, Chaos und Stille, Kosmologie und Mystizismus. Hinzu kommen Themen und Motive der europäischen Kunstgeschichte, insbesondere der italienischen Renaissance.

Pathos und Perfektion seiner emotional und visuell überwältigenden, bisweilen elegisch-​theatralen Inszenierungen, Soundscapes und Superzeitlupen sind nicht nur Indiz der persönlichen Metamorphose des Künstlers Bill Viola, sondern auch Zeugnis des Siegeszuges der Video-​Kunst im heutigen Kunstbetrieb. 

 

1977 verließ die Video-​Kunst den Underground, als man sie buchstäblich in der Dachboden-​Nische im Fridericianum präsentierte. Heute lassen sich ganze Kunsthallen oder Kathedralen (etwa die Londoner St. Paul's Cathedral) mühelos in Full-HD bespielen. Bill Viola hat es mehr als einmal demonstriert.