Über Die Schwarze Lade: Archiv für Performance, Aktions- und Intermedia Kunst

 

Das inter­national einmalige Performance Art Archive Schwarze Lade / Black Kit wurde von Künstler*innen und Akteur*innen der Aktionskunst-​Szene ins Leben gerufen. Seit seiner Gründung 1981 entwickelte es sich zu einem bedeutenden Wissens­speicher und dabei stets lebendigen Arbeits­in­strument für künst­lerische Formate wie Happening und Aktionskunst.

 

Zu den Initiator*innen der „Schwarzen Lade“ zählt der Kölner Künstler Boris Nieslony (geb. 1945). Nieslony war Teilnehmer der von Manfred Schne­ckenburger kuratierten documenta 8 (1987) und Mitglied der damals sieben­köpfigen Perfor­man­cegruppe Black Market Inter­national. Ihm ist es zu verdanken, dass das im außer­in­sti­tu­tionellen Raum gepflegte Performance Art Archiv über vier Jahrzehnte zu einer umfassenden multi­medialen Material-​ und Objekt­sammlung anwachsen konnte, die heute rund 450 laufende Regalmeter umfasst. Enthalten sind, neben filmischen Dokumenten und Fotografien, unter anderem Projekt­skizzen, Drehbücher, Künstler*innen-​Korrespondenzen oder seltene Galerie-​Kataloge, außerdem Artefakte und Performance-​Relikte.  

 

Boris Nieslony übergibt das bisher in Köln ansässige Performance-​Archiv nun dem Kasseler documenta archiv, das die Arbeit an und mit den Materialien im Sinne der Gründer fortsetzen wird. Teil der Schenkung ist auch das künst­lerische Werk Boris Nieslonys, der durch wandernde Instal­lationen wie das „Das Paradies“ oder die hochaktuelle Fotoarbeit „Moritaten“ inter­na­tionale Bedeutung erlangt hat.

 

Für das documenta archiv ist der wertvolle Zugang auch deshalb ein großer Gewinn, da die Schwarze Lade, als Spiegel inter­na­tionaler Strömungen im Feld perfor­mativer Künste, vielfältige Verbindungen zur Geschichte der documenta aufweist. Die Archiv­ma­te­rialien dokumentieren die künst­lerische Praxis und Theorie zahlreicher Kunst­be­wegungen, Gruppen und Einzel­künstler*innen, darunter der Fluxus-​Bewegung oder histo­rischer Wegbereiter*innen des Happenings und der Aktionskunst wie Joseph Beuys, Allan Kaprow oder Ulay & Abramović.  

 

Die Idee der Schwarzen Lade basiert auf der Frage, wie sich ephemere Perfomance-​Kunst, wie sich flüchtige künst­lerische Handlungen und Inter­aktionen erfassen und bewahren lassen, dies stets unter dem Leitmotiv, über das Archivgut vergangener Aktionen Wissen zu generieren und für die künst­lerische Praxis und Forschung fruchtbar zu machen. Das documenta archiv wird sich derartigen Themen­feldern, die damals Anlass zum Aufbau des Archivs für aktio­nistische Kunst und künstlerisch-​theoretische Feld-​Forschung waren, auch künftig annehmen. Ziel ist es, den hohen Stellenwert, den die Schwarze Lade in der inter­na­tionalen Performance-​Szene innehat, auch weiterhin sichtbar zu machen.

 

Der Name „Schwarze Lade“ ist als Referenz auf die in Bibel und Tora überlieferte Bundeslade zu verstehen, die von den Israeliten beim Auszug aus Ägypten als trans­portables Heiligtum mitgeführt wurde. Das Performance Archiv ist in der Vergan­genheit immer wieder auf Reisen gegangen. Es wurde ausgestellt oder bei inter­na­tionalen Symposien, Festivals und Konferenzen mithilfe mobiler Regal-​Displays künst­lerisch aktiviert. Präsen­tationen der Schwarzen Lade erfolgten unter anderem im Künst­lerhaus Mousonturm, Frankfurt (1991), im Offenen Kulturhaus, Linz (1998) und der Kunst- und Museums­bi­bliothek der Stadt Köln (2020).

 

Mit der Übernahme der Schwarzen Lade erhält das documenta archiv ein komplexes Künstler*innenarchiv, das die Geschichte der Perfor­mancekunst in diffe­ren­zierter Weise erfasst und dabei nicht allein ein breites Spektrum der künst­le­rischen Praxis spiegelt, sondern auch die weit verzweigten Akteur*innen-​Netzwerke der inter­na­tionalen Performance-​Szene abbildet.   


Wie bereits am bisherigen Standort, werden die Bestände der Schwarzen Lade auch in Kassel wissen­schaftlicher und künst­le­rischer Recherche zur Verfügung stehen. Ein Forschungs­projekt mit europäischen Partnern der Kunst- und Infor­ma­ti­ons­wis­sen­schaften, die auf (Selbst-)Archi­vie­rungs­praktiken in der Performance-​Kunst spezia­lisiert sind, ist in Vorbe­reitung. Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Inter­essierte sind eingeladen, sich im documenta archiv in die Kunst der Performance zu vertiefen.