Der ostdeutsche Kunst­kritiker und Ausstel­lungsmacher Lothar Lang bezeichnete die documenta 1959 als „Monsterschau“ – nur eines der Urteile, in dem sich die politisch-​kulturellen Spannungen beider deutscher Staaten wie in einem Brennglas verdichten. Welches Bild machten sich Kunstakteur*innen in Ost-​Berlin, Dresden oder im damaligen Karl Marx-​Stadt von der „wichtigsten Kunst­aus­stellung der westlichen Welt“ in Kassel und wie schauten umgekehrt die künstlerisch-​kuratorischen Teams um Arnold Bode, Harald Szeemann, Manfred Schne­ckenburger, Rudi Fuchs oder Jan Hoet auf die DDR, auf Kultur­funktionär*innen und die Kunst­pro­duktion des Nachbarlandes?



In ihrer materi­al­reichen Studie „Exhibition Politics. Die documenta und die DDR“ geht die Kunst- und Kultur­his­to­rikerin Alexia Pooth diesem besonderen Kapitel Kasseler Ausstel­lungs­ge­schichte anhand zahlreicher, bislang unver­öf­fent­lichter Quellen­ma­te­rialien aus Ost und West nach. Vor der Folie des Kalten Krieges, Phasen politischer Annäherung und dem Fall der Mauer, zeichnet die Autorin die komplexe Rezeptions-​ und Wahrneh­mungs­ge­schichte nach, in der es trotz politischer und ideolo­gischer Front­stellungen immer auch zu Dialogen und Austausch kam. In Bundes­republik und DDR diente die documenta der politischen Positio­nierung, und war zugleich ein Ort der Fremd- und Selbst­wahr­nehmung, generierte kulturelle, politische und soziale Identitäten. Der inhaltliche Bogen reicht von den frühen documenta Ausstellungen bis zu Catherine Davids documenta X im Jahr 1997, deren histo­rischer Rückblick auch die veränderte geopo­litische Lage der Welt nach 1990 reflektierte.

 

Neben histo­rischen Analysen bietet der Band entlang unter­schiedlicher Textformen eine vielseitige Zusam­men­stellung von Dokumenten, Zeitzeug*innen­in­terviews, Künstler*innen­portraits und Bilder­strecken, die ihn zu einem kurzweiligen Lesebuch machen.

 

„Exhibition Politics. Die documenta und die DDR“ erscheint im Frühjahr 2024 in der Schrif­tenreihe des documenta archivs.

 

Eine Kooperation des documenta archivs mit dem Hannah-​Arendt-Institut für Totali­ta­ris­mus­forschung, Dresden (HAIT).