Ilya Kabakov, der große Visionär der "totalen Installation" ist am 27. Mai kurz vor seinem 90 Geburtstag gestorben. Der 1933 in Dnepropetrovsk in der heutigen Ukraine geborene Kabakov wird oft als einer der einflussreichsten Künstler aus der ehemaligen Sowjetunion beschrieben und zählt zu den Pionieren der Konzeptkunst.

 

Seine gemeinsam mit seiner Frau Emilia geschaffenen Werke berichten auf melancholisch-humorvolle Weise vom Leben in der untergegangenen Sowjetunion, von privaten Träumen und gescheiterten Utopien. Ein charakteristisches Merkmal der immersiven Rauminstallationen und Alltagsarrangements des Künstler*innenpaares ist die atmosphärische, fast surreale Verschmelzung von Fiktion und Realität.

 

Auf der documenta IX (1992) überraschte Kabakov die Besucher*innen mit einem ungewöhnlichen Beitrag: "Die Toilette" im rückseitigen Hof des Fridericianums. Ein detailgenauer Nachbau einer typischen sowjetischen Bedürfnisanstalt im Stil der 1960er und 70er-Jahre.

 

Nach dem Anstehen am Eingang des Toilettenhäuschens fanden die Besucher*innen im Inneren eine provisorisch zwischen den offenen Kabinen des Plumpsklos eingerichtete Zwei-Zimmerwohnung vor: Ein notdürftiges, jedoch heimeliges, mit Wandbehängen dekoriertes Refugium inklusive Küche, Sofa, Wohnzimmertisch und einem Kinderlaufstall. Kabakov ging es hierbei nicht allein um das Kippmoment vom öffentlichen zum privaten Raum, sondern auf metaphorischer Ebene auch um die kuratorische Ausrichtung von Jan Hoets documenta IX: Während auf dem Friedrichsplatz mit Jonathan Borofskys "Man Walking to the Sky", das Werk eines Amerikaners in den Himmel ragte und die privilegierten Ausstellungsräume des Fridericianums von (west-)europäischen Künstler*innen dominiert wurden, bezog Kabakov als Repräsentant des postsozialistischen Osteuropa das unsichtbare "Hinterland" als strategische Bastion.

 

Heute kann Kabakovs, zur documenta IX entstandene "Toilette" als permanente Installation in der Sammlung des  S.M.A.K. (Stedelijk Museum voor Aktuelle Kunst, Gent) besichtigt werden. Dort befindet sich übrigens auch der "Aeromodeller", das Luftschiff des belgischen Fantasten Panamarenko (1940-2019), eines der populärsten Werke der documenta 5.