"Kunst ist immer eine Übertreibung. Der Maler übertreibt, ob es die Farbe oder die Form oder die Linie ist, es gibt immer eine Übertreibung".

 

Der kolumbianische Künstler Fernando Botero ist am 15. September im Alter von 91 Jahren gestorben. Er zählte zu den  bekanntesten bildenden Künstlern Lateinamerikas und war 1977 bei der documenta 6 vertreten.

 

Der in Medellín geborene Botero stammte aus einfachen Verhältnissen und entdeckte schon als Jugendlicher sein Interesse an der Kunst. Nach seinem Umzug nach Bogotá im Jahr 1951 und während der 1950er und frühen 1960er Jahre kam er in Kolumbien und auf Reisen nach Europa, Mexiko und New York mit Werken von Rufino Tamayo und dem Costumbrismo, der italienischen Renaissancemalerei, der präkolumbianischen Kunst und der Pop Art in Berührung. Nach einigen Jahren des Experimentierens mit großen, sichtbaren Pinselstrichen und ausdrucksstarken Formen "La Camera degli Sposi (Hommage an Mantegna) II" (1961, Öl auf Leinwand, 231 x 259 cm) fand er - in Abkehr von der damals verbreiteten Abstraktion - seinen charakteristischen, figurativen Stil, dem er trotz anfänglicher Widerstände treu blieb.

 

Obwohl er auch als Bildhauer tätig war, betrachtete er sich vor allem hauptsächlich als Maler. Sein weltweit bekannter Stil zeichnet sich durch ein Interesse an der Volumetrie aus, das sich in der Darstellung von fülligen, überproportionalen und korpulenten Figuren und Gegenstände manifestiert, sowie durch eine klassische Farbgebung mit fast nicht wahrnehmbare Pinselstrichen und einer glatten Bildoberfläche.

 

Sein umfangreiches Œuvre ist von einem Interesse an der Kunstgeschichte und den europäischen Meister geprägt, das sich beispielsweise in der Neuinterpretation berühmter Werke in seinem eigenen Stil zeigt (mehrere Versionen von Leonardo da Vincis Mona Lisa, darunter: "Mona Lisa, Age Twelve" (1959, Öl und Tempera auf Leinwand 211 x 195,5 cm); "Mona Lisa niña" (1961, Öl auf Leinwand, 133,5 x 129 cm) und "Monalisa" (1978, Öl auf Leinwand, 183 x 166), sowie ein Interesse am Populären und Volkstümlichen, hauptsächlich Kolumbiens. Die Hauptmotive seiner Werke sind neben Stillleben, Tieren und verschiedenen Gegenständen vor allem Menschen - manchmal auch er selbst -, aber sehr oft anonym: Porträts, Akte, tanzende Paare, Kinder, Familien, die in Innenräumen, auf der Straße oder in der Landschaft agieren oder posieren (1987, "Pareja bailando", Öl auf Leinwand, 195 x 130 cm; 1990, "El estudio", Öl auf Leinwand, 257 x 160 cm).

 

Hinter seinen Werken, die oft als naiv und trivial interpretiert werden, verbirgt sich eine ironische, kritische, aber auch humorvolle Sicht auf Religion, Politik und Gesellschaft, auf das alltägliche Leben in nicht immer zeitgebundenen Kontexten, die jedoch für alle Epochen gelten, weil sie aktuell und universal sind ("El Palacio – La esposa y el general", 1975, Öl auf Leinwand). Der Frieden und die Gewalt in Kolumbien, aber auch anderswo, bilden auch ein Thema einige seiner Arbeiten ("La paloma de la paz", 2016, Bronzeskulptur, 180 cm), die sich auch auf bestimmte historische Ereignisse beziehen ("Pablo Escobar muerto", 2006, Öl auf Leinwand, 135 x 164 cm und Die "Abu Ghraib Serien", 2005, mehrere Gemälde und Zeichnungen).  

 

Zur Zeit seiner Teilnahme an der documenta 6 im Jahr 1977 war er bereits in Europa durch Ausstellungen bekannt. Für seinen Erfolg in Europa war Deutschland entscheidend, denn in den 1970er Jahren konnte er dort in mehreren Ausstellungen seine Werke zeigen. Im Rahmen der documenta 6 stellte er vier Zeichnungen in der Abteilung Zeichnung (Kunst über Kunst - Kopien und Variationen) aus: "Oswolt Krel nach Dürer" (1969, Kohle auf Leinwand, 211 x 180 cm), "Adam und Eva" (Diptychon, 1975, Kohle und Rötel auf Leinwand, je Tafel 192 x 109 cm), "Ecce Homo" (1975, Bleistift auf Papier, 76 x 57 cm) und "Juan de Calabazas" (nach Velásquez) (1975, Bleistift auf Papier, 76 x 57 cm).

 

Wie er es wünschte, arbeitete er bis zu seinem Tod. Obwohl er nicht dauerhaft in Kolumbien lebte, war seine Arbeit immer eng mit seinem Heimatland verbunden. Dies zeigt sich nicht zuletzt an seinen Schenkungen an das Museo de Antioquia in Medellín und das Museo del Banco de la República in Bogotá. Doch trotz seiner starken Verbindung zu Kolumbien haben sein Stil und seine Themen etwas Zeitloses und Universelles an sich, das ihn zu einem globalen Künstler macht, der ein breites Publikum anspricht.

 

Claudia Cendales Paredes