Der gelernte Frisör, Schauspieler, Tänzer und künstlerische Autodidakt Harry Kramer (1925-1997) zählte zu den schillernsten Künstlerpersönlichkeiten Kassels. Überregionale und internationale Bekanntheit erlangte er durch seine Teilnahme an der documenta 3 (1964), als er in der Sektion "Licht und Bewegung" - neben Zeitgenossen wie Jean Tinguely oder der Gruppe Zero - eine Auswahl seiner filigranen, kinetischen Drahtgebilde präsentierte.

Nachdem er 1970 als Professor für Bildhauerei an der Gesamthochschule Kassel in die Lehre eintrat, kam es zu einem Wandel in seinem Schaffen. An die Stelle seiner individuellen künstlerischen Produktion trat das gemeinschaftliche Arbeiten mit Studierenden im Klassenverband: Das "Atelier Kramer" war geboren.

Aus dem lebhaften Austausch im "Atelier Kramer" sind die zwölf kuriosen Handpuppen aus Pappmaché und Stoff hervorgegangen, die nun - als perfekte Ergänzung zum Nachlass Kramer - in die Sammlung des documenta archivs aufgenommen wurden.

In satirisch überzeichneter Weise stellen die, zum Teil mit Trillerpfeifen und Kirmes-Tröten ausgestatten Puppen, das Spektrum der Gesellschaft und ihrer Stände dar: Unter anderem gibt es den Richter, den Priester, Soldaten und Offiziere mit Pickelhauben und Helmen, zwei Polizisten, einen Lehrer und einen Schüler.

Für wichtige Hinweise danken wir dem Künstler Wolfgang Hahn, dem früheren Assistenten Harry Kramers. Dank seiner Kenntnisse wissen wir, dass ein großer Teil des Figuren-Konvoluts der Examensarbeit des inzwischen verstorbenen Fotografen und Kramer-Schülers Wolfgang Rink zuzuordnen ist.