#51 Abounaddara – Das Recht auf Würde
Abounaddara: „The Murderer Returning to the Scene of the Crime” (2013), aus: documenta 14, Daybook. Signatur: documenta archiv, BI, 14 documenta E 2019, p. 18.08.
Souleyman El-Halebi, geboren im Jahr 1777, ägyptischer Theologiestudent der Islamwissenschaften in Kairo. Gestorben im Alter von 23 Jahren, gepfählt als Attentäter.
Der von Abounaddara digital bearbeitete Kupferstich „The Murderer Returning to the Scene of Crime” (2013) bildet El-Halebis seitliches Profil ab und zeigt das Bild eines jungen Mannes, dessen Schicksal trotz allem auf eine würdevolle Darstellung hofft.
Ähnlich dieser digitalen Collage des anonymen Künstler*innenkollektivs aus Syrien erzählt auch ihr auf der documenta 14 gezeigtes Werk „On Revolution“ (2017) Geschichten aus der Mitte der syrischen Gesellschaft. Mit einer Laufzeit von 140 Minuten wurde der Digitalfilm am 14.09.2017 im Kasseler BALi-Kino uraufgeführt und von Charif Kiwan, dem einzig heute bekannten Mitglied und Sprecher des Kollektivs kommentiert.
Abounaddaras fokussiertes Thema in „On Revolution“ liegt dabei nicht in einer wiederholt brutalen Form der Medienpräsenz und der Darstellung von Mord und Elend, sondern verfolgt ein gegenteiliges Ziel: den Menschen ihr Gesicht und ihre Würde wiederzugeben. Anhand von einzeln dargestellten Geschichten und deren Vernetzungen werden verschiedenartige Bilder geschaffen, die, obwohl blutige Szenen weitestgehend vermieden werden, eine starke, emotionale Wirkung erzeugen und ein alternatives Bild von Syrien schaffen.
Die politische Situation des Landes, inmitten der vom Leid getragenen Revolution, liegt wie ein Schleier über den Aufnahmen des Filmkollektivs. Umgeben von zerstörten Landschaften, Gebäuden und menschenunwürdigen Gegebenheiten sind diese dennoch nicht alleiniges Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen. Vielmehr wird der Fokus auf Aufnahmen gelegt, welche das Leben anstelle des Krieges zeigen. Eine Menschlichkeit und Würde sprechen zu lassen, die seit Jahren in Aufnahmen von Krieg und Aufruhr verloren geht, ist dabei das verfolgte Ziel von Abounaddara. Anstelle also einer politisch wirksamen, medialen Bebilderung kommen in „On Revolution“ die Menschen selbst zu Wort, über die ansonsten nur von außen gesprochen wird.
Die documenta 14 Publikationen, veröffentlichte Pressestimmen und anderes, vielfältiges Material zur Ausstellung sowie dem Filmkollektiv Abounaddara und seinen Arbeiten auf der documenta 14 sind nach vorheriger Anmeldung im Lesesaal des documenta archivs einzusehen.
Laura Diermann