#46 Der junge Baum und die documenta
Christo in Besprechung auf der Karlswiese vor der Installation seiner Arbeit zur documenta 4 (1968).
Drei Herren in lockerer, einander zugewandter Pose. Sie scheinen in einer Besprechung zu sein. Um sie herum geschäftiges Treiben. Hinter ihnen erstreckt sich die mit konzentrisch angeordneten Seilen ausgelegte Fläche der Karlswiese vor der Orangerie des Kasseler Aueparks. Was wie ein Sonntagsausflug im Park mit zu viel Springseil aussehen mag, waren tatsächlich die Vorbereitungs- und Planungsarbeiten zu Christos (geb. 1935) und Jeanne-Claudes (1935-2009) monumentalen Projekt “5.600 Cubicmeter Package”. Ein verblüffendes Luftpaket, das für die documenta 4 (1968) produziert und als gigantische Säule aus Synthetikstoff über die grüne Lunge Kassels hinausragte. Die heute noch zu identifizierenden Personen auf der Fotografie sind Christo (Mitte) und sein Freund und Ingenieur Mitko Zagoroff (rechts, 1935-2010). Diese Momentaufnahme gelang 1968 dem jungen Klaus Baum (geb. 1942), dessen Lebensweg sich über Jahrzehnte noch mehrmals mit der Weltkunstausstellung kreuzen sollte.
Im November 2019 entschied er sich, seine umfangreiche Sammlung aus Dokumenten, Objekten und Fotografien zur Kasseler Weltausstellung dem documenta archiv zu schenken, darunter eine einzigartige Sammlung an Originalaufnahmen (Abzügen, Negativen und Ektachromen) von der documenta 4, 5, 8 und 9. Oftmals porträtierte er die Künstler/innen und die Entstehung ihrer Arbeiten während des Ausstellungsaufbaus. Die Motivauswahl ist von einer zeitlosen Brillanz und die einzelnen Bilder präzise komponiert. Des Weiteren bestechen seine Porträts durch ihre Nähe zu den abgebildeten Personen, die vertraute und zugleich unkonventionelle Situationen vermitteln, wie sie für die documenta typisch sind.
Damals, als die Aufnahme der drei Herren auf der Karlswiese entstand, war Baum Anfang 20, hatte sein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg absolviert und befand sich in den Diensten Christos, Fotografien anzufertigen, um das Geschehen um die Entstehung des Werkes zu dokumentieren. Er spricht von dieser Phase seines Lebens als eine Zeit der Unsicherheit. Wohin gehen nach dem Abitur? Eines war ihm damals klar: Er würde dem Pfad der Fotografie folgen und sich somit immer weiter in das Dickicht der bildenden Kunst ziehen lassen.
Im nächsten docArt möchten wir Baums Wirken während der documenta 9 und seinen Weg dorthin vorstellen, um somit weitere Einblicke in diesen Neuzugang in den Bestand des documenta archivs geben zu können. Der außerordentliche Dank des documenta archivs gebührt Dr. Klaus Baum und seiner großzügigen Schenkung!
Karoline Achilles und Michael Gärtner