#40 Fotograf*in unbekannt – ein Dilemma von Archiven?!
Dias der Schenkung. ID: documenta archiv, MS, DMA.P.P.000.d05_KB02
Ein unwirklich erscheinender Raum, schmutzig-weiße Wände, die sich von dem dunklen Boden hochziehen, ohne dass ihr Ende in Sicht wäre, auch schweben auf halber Höhe aneinandergereihte Neonröhren in der diesigen Luft. Darunter Personen, wie Statist*innen positioniert in einem magnetisch aufgeladenen Gesamtgefüge. Was wie die Beschreibung einer exemplarischen Szene aus Ridley Scotts Sci-Fi-Meisterwerk "Blade Runner" von 1982 klingt, ist hingegen eine Momentaufnahme der documenta 5, auf der die Kunstwerke "6 Projektmontagen (Progression)" (1966) von Peter Roer, "Straight Curved Line X Set" (1971) und "White Distorted Square Circle" (1970) von Robert Mangold ihre Schlagschatten an die Wand werfen. Wir befinden uns im Jahre 1972 in einem Raum im ersten Stock des Museums Fridericianum, die oberen Teile der getünchten Ziegelwände liegen frei. Das Gebäude war damals noch nicht vollständig renoviert. Die Szene hat einen cineastischen Effekt und bleibt in Erinnerung.
Wer hat das Foto mit der berückenden Wirkung geschossen?
Im Mai 2019 wurde der Bestand der Mediensammlung durch eine Sammlung von 153 Farb-Dias mit einzigartigen Ausstellungsansichten der documenta 5 erweitert: Fotograf*in leider unbekannt! Ziel ist es jetzt, eine vertragliche Regelung mit dem oder der Urheber*in zu erwirken, um diesen bisher unveröffentlichten Schatz allen Nutzer*innen des documenta archivs zur Verfügung stellen zu können – über eine Ansicht im Lesesaal hinaus.
Würde im Rahmen dieses "docArt des Monats" nun ein Digitalisat eines der Dias veröffentlicht werden, wäre das eine Urheberrechtsverletzung. Ein Dilemma – wie kann das documenta archiv mit der Urheberin oder dem Urheber in Kontakt treten, ohne eine Veröffentlichung der Dias?
Der pragmatische Ansatz: wir schreiben an dieser Stelle darüber und können die Dias in den Räumen des documenta archivs zur Ansicht vorlegen. Als Bebilderung binden wir eine Skizze des beschriebenen Dias ein, welche, laut Urheberrecht, wie eine Transkription eines Dokuments bewertet werden kann. Zusätzlich legen wir eine Fotografie der Arbeitsdokumentation aus der Mediensammlung mit zwei ausgewählten Artefakten der Schenkung bei.
Das documenta archiv lädt Sie herzlich ein, uns zu besuchen, sich die Dia-Sammlung im Lesesaal anzuschauen und uns gegebenenfalls Hinweise auf die Urheberschaft zu geben.
Karoline Achilles und Alexander Zeisberg
Karoline Achilles: Skizze als Transkription des Dias