#39 Hans Hartung steht Kopf
Brief von C. Henry Kleemann an Arnold Bode, 13.08.1955, Signatur: documenta archiv, AA, d01, Mappe 20, S. 87
In einem Brief der Kleemann Galleries in New York, der an Arnold Bode (1900 - 1977) adressiert ist, wird darauf aufmerksam gemacht, dass ein Gemälde von Hans Hartung (1904 – 1989) falsch herum im Ausstellungskatalog der ersten documenta abgedruckt ist. C. Henry Kleemann schrieb am 13. August 1955, dass Hans Hartung „grosse Angst“ davor habe, das Gemälde könne nun auch falsch in der Ausstellung hängen. Wenn eine zweite Auflage des Ausstellungskatalogs gedruckt würde, so solle eine Korrektur vorgenommen werden, damit das Bild nicht weiter „auf dem Kopf steht“. Bei dem besagten Bild handelt es sich um Hartungs „Komposition“ von 1950. Es ist 89 x 130 Zentimeter groß und ein in Brauntönen gehaltenes Gemälde mit flächigem Pinselduktus. Vertikale, breite Pinselstriche bedecken die Mitte der Leinwand, während der weiße Untergrund am Rand sichtbar ist. Ein schmaler schwarzer und weißer geschwungener Strich kreuzen sich und bilden damit eine Akzentuierung.
Wirft man einen Blick in die Erstveröffentlichung des Ausstellungskatalogs, so muss man ganz genau hinschauen: die Signatur befindet sich verkehrt herum in der oberen linken Ecke des Bildes. Die Abbildung ist damit tatsächlich falsch abgedruckt. Auch in der zweiten Auflage ist der Fehler nicht behoben, was mutmaßen lässt, dass der Druck bereits in Auftrag gegeben war, als Kleemann sich an Bode wandte. Hartungs Gemälde steht also weiterhin Kopf. Insgesamt weisen somit insgesamt 12.390 Exemplare des Katalogs eine fehlerhafte Abbildung auf. Als Bode den Brief erhielt, lief die documenta bereits seit einem Monat und die Nachfrage nach dem Ausstellungskatalog war so groß, dass nach Berichten des Sekretariats auch eine dritte und vierte Auflage nötig gewesen wäre, um alle Interessenten zu versorgen.
Erst im Nachdruck von 1995 ist Hartungs Komposition endlich korrekt zu sehen. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der documenta wurde der Katalog ein letztes Mal gedruckt und die kleine, aber entscheidende Änderung vorgenommen. Hartungs Signatur befindet sich nun an der richtigen Stelle rechts unten im Bild. Doch auch, wenn Bodes Antwortschreiben dem documenta archiv nicht vorliegt, so konnte Hartung beruhigt sein: In der Ausstellung war sein Werk im großen Malereisaal des Fridericianums richtig herum gehängt. Das beweist die fotografische Dokumentation der Installation, bei der das Werk in der Ferne zu sehen ist.
Alle drei Auflagen des documenta-Katalogs und auch der Brief der Kleemann Galleries befinden sich im documenta archiv und können dort eingesehen werden.
Lena Voss